Du darfst Dich an bestimmten Tagen nicht unterkriegen lassen. Schon gar nicht von einer Gewindestange. Auch wenn Sie es beharrlich versucht und starke Argumente auf ihrer Seite hat.

An Tagen, die Scheiße anfangen, solltest Du den ersten Satz ganz besonders beherzigen. Wenn es beispielsweise Ketten regnet. So dass draußen nicht gearbeitet werden kann. Oder nur etappenweise. Lange, teure Pausen halten Deinen Pflasterer vom Arbeiten ab. Und die Jungs, die an der Fassade stehen und streichen sollten.

Dann teilt Dir der Elektriker mit, dass alles fertig ist für den Schaltschrank der Destille. Nur ein einzelnes Bauteil fehlt noch. Drei Wochen Lieferzeit. Vielleicht. Jetzt kommt auch bald Weihnachten, Winterferien, …, kann dauern.

Anruf: Der Sanitärbetrieb kann einen Termin Anfang der Woche nicht halten. Monteur und Sohn sind erkrankt.

Vermutlich ist das ein Tag, an dem sich später noch ein oder zwei Leute krank melden.

Das Kaffeepulver ist alle. Plötzlich. Wer hat so viel Kaffee gekocht?

Jemand hat die letzten Kaubonbons aufgegessen!

Eine Materiallieferung, die im Trocknen stehen muss, steht seit Stunden im Regen. Keiner hat‘s gemerkt.

Heute war so ein Tag, oder jedenfalls so ähnlich. Um zwei Uhr war schon keiner mehr auf der Baustelle.

Ein guter Zeitpunkt, um eine knifflige Sache im Dach der großen Scheune anzugehen. Dort haben drei Teilstücke der Traufpfette angefangen, sich nach oben durchzubiegen. Weil sie Holzwürmer haben, morsch sind, teilweise ausgesägt worden waren für einen Kamindurchlass, teilweise mal lange feucht gewesen waren. Und weil die Statik der Scheune eh im Eimer ist bzw. war und deshalb lange zunehmender Längsdruck auf dem Gebäude lag.

Zimmerleute heilen das, indem sie unter einen solchen (kurzfaserigen) Eichenbalken von beispielsweise vier Metern Länge einen zweiten (langfaserigen) bspw. aus Douglasie legen, beide durchbohren, lange Gewindestangen durch die Bohrlöcher schieben und von beiden Seiten ordentlich mit dicken Unterlegscheiben und Muttern verschrauben.

So habe ich mir das abgeguckt und will es beim zweiten Mal selbst machen. Das liegt jetzt, Mitte Dezember, vier Wochen zurück. Denn die Bohrlöcher hatten sich verschoben, die Gewindestangen gingen nur mit Gewalt rein. Da das Ganze im Kniestock des Daches stattfand, war praktisch kaum Platz zum Hämmern. Als die 22er Gewindestangen schließlich durchgeprügelt waren, waren die Gewinde längst kaputt. Also sinnlos, der stundenlange Kampf.

Weil mir dazu nix mehr einfiel, hatte ich das vor ein paar Woche so liegen lassen und eine andere Arbeit aufgenommen. Eher: hingeschmissen. Das Werkzeug lag in erstklassiger Leckmichamarsch-Haltung noch da, wo ich es hingeworfen hatte. War da eine Beule in der neuen Decke?

Wenn Du Dich auf Eines verlassen kannst auf der Baustelle, dann darauf, dass die Arbeit nicht wegläuft. Sie wartet auf Dich. Du weißt es. Sie weiß es. Sie lächelt. Du nicht.

Heute also, an einem Tag, der sowieso komplett Scheiße lief, musste es sein:

Mit einer feinen Eisensäge die Gewinde nachschneiden. Im Kniestock. Was für eine …

Die riesige Hutmutter, die vor ein paar Wochen die Schläge abbekommen hatte, bricht ab, und hinterlässt eine Gewindestange ohne Gewinde.

Um die Stange im Bohrloch, wo sie sich verklemmt hat, drehen zu können, bohre ich ein Loch durch die Stange und stecke einen Bolzen rein, der sich aber um die Stange wickelt, statt die Stange zu drehen.

Jetzt stecke ich einen kurzen, spröden Stummel (einen der vielen abgebrochenen Bohrer) in das frisch gebohrte Loch in der Stange, und das endlich gibt der großen Pumpenzange Grip. Bald schaut die Stange oben wieder raus.

Ich flexe einen Zentimeter ab; in den restlichen Stumpf säge ich mit einer kleinen Eisensäge einen neuen Gewindeanfang.

Die Mutter … greift! Das verf…. Ding hat verspielt.

Vier dicke Muttern auf den vier Enden der zwei Gewindestangen zwingen die beiden Pfetten aufeinander. Mit Gewalt und Hebelkraft (eingespielter O-Ton Opa Gerd: „Unendlich ist des Schlossers Kraft, wenn er mit dem Hebel schafft!“ Er hat ja so Recht.) wird der dicke, krumme Eichenbalken wieder etwas flacher.

Fest verbunden mit seinem neuen Kumpel aus Douglasie werden die beiden jetzt alle auf ihnen ruhenden Dachsparren sicher durch jeden Sturm tragen.

Fünfmal hätte ich das Werkzeug heute wieder in die Ecke werfen oder besser noch jemanden damit erschlagen wollen.

Doch am Ende hat der Scheißtag verspielt. Scheißtage haben immer etwas weniger Ausdauer als Du. Solange musst Du dranbleiben. Unsere Baustelle ist eine strenge Lehrerin.

Foto: Er hat es auch geschafft – unser Hofbrunnen. Lag Jahrzehnte unter der Erde. Seine Geduld hat sich ausgezahlt. Jetzt trägt er seinen Kopf wieder über dem Pflaster.